Frankfurter Rundschau
Mittwoch, 16.02.2005
Bild:
Michael Rabsch im Fitnessstudio
Was andere sehen, muss er im Kopf haben
Michael Rabsch ist blind - und ein
begeisterter Triathlet / Der Sport gibt ihm "ungeheure
Selbstbestätigung"
Von Fabian Löhe
Hanau · 15. Februar · Beim Schwimmen im Heinrich-Fischer-Bad hält
sich Michael Rabsch immer nahe am Beckenrand, den er ab und zu ertastet. Wenn
er an der Leiter vorbei ist, weiß er, dass er bald umdrehen muss. Er
konzentriert sich auf das lauter werdende Geräusch des plätschernden Wassers am
Ende der Bahn. Dann wendet der Schwimmer mit der gelben Badekappe, auf der drei
schwarze Punkte sind, und nimmt die nächste Bahn in Angriff.
"Ich muss viele Dinge einfach wissen. Was andere Menschen
durch die Optik wahrnehmen, muss ich im Kopf haben", sagt Michael Rabsch.
Als er neun Jahre alt war, hatte er einen Hirntumor und ist seitdem blind.
"Es hätte auch schlimmer ausgehen können", sagt der 38-Jährige heute.
Vergangenes Jahr hat der Hanauer mit dem Training für einen
Triathlon begonnen und dann am 8. August in Arheilgen beim Mühlchen-Triathlon
der Sportgemeinschaft teilgenommen: 400 Meter Schwimmen, 16 Kilometer Radfahren
und fünf Kilometer Laufen - und das alles in einer Stunde und 38 Minuten. Die
Sportgemeinschaft hatte Rabsch ein 16-jähriges sehendes Mädchen als Partnerin
organisiert. Beim Schwimmen wollte er eigentlich über ein Stretch-Band mit ihr
Kontakt halten. Als das nicht funktionierte, schwamm er einfach hinterher,
während sie ihm die Richtung zurief. Andere sehbehinderte Teilnehmer
versuchten, sich mittels eines Fahrradschlauches von ihren Partnern in die
richtige Richtung leiten zu lassen.
"Auch beim Tandem-Fahren habe ich die Geschwindigkeit und
Kraft angegeben", sagt der Triathlet. Daran, dass der Lenker für den
hinten Sitzenden feststeht, hatte er sich schon zuvor gewöhnen können. Bei dem
Mädchen war das anders: "Es war das erste Mal, dass sie auf einem Tandem
gesessen hat, aber sie hat sich wacker geschlagen - und dabei ging es über
Waldwege." Auch für die Zuschauer dürfte einiges gewöhnungsbedürftig
gewesen sein. So rannte Rabsch gleichauf mit seiner Partnerin im Ziel ein - und
dann noch durch ein weißes Frottee-Band an den Händen miteinander verbunden.
"Während des Laufens ist die Informationsaufnahme durch Reden
viel zu stressig. Wenn ich der Person vertraue, die mich führt, kann ich viel
besser abschalten, und so wird Sport für mich richtig entspannend, weil ich
nicht aufpassen muss", erklärt der Sportler. Die umgekehrte Situation
kennt er auch aus dem Alltag: "Wenn ich alleine durch die Stadt laufe, ist
das Stress hoch sieben. Denn wenn ich unterwegs bin, laufen die anderen fünf
Sinne auf Hochtouren." Andererseits weiß er dann immer, wo er gerade ist,
auch wenn er sich dabei pro Monat zwei bis drei Platzwunden am Kopf einhandelt.
Beim Waldlauf vor einiger Zeit etwa passierte Rabsch wieder so eine Sache. Denn
in dem nahe gelegenen Waldstück sind die Wege im Rechteck angeordnet und er
kann sich daher dort zurecht finden. Doch diesmal kam dem Sportler mit dem
Blindenstock links ein älterer Herr entgegen, rechts lief der dazugehörige Hund
- und in der Mitte spannte die Leine. "Ich war so sauer, weil ich auf
einen Sturz überhaupt nicht vorbereitet war", so Rabsch.
Dennoch lässt er sich davon nicht unterkriegen. "Das Laufen
macht mir ungeheuren Spaß, vor allem, weil ich da etwas allein mache und das
gibt mir große Selbstbestätigung." Seit einiger Zeit geht der
Sportbegeisterte auch noch in ein Fitness-Studio, noch länger ist er schon im
Frankfurter Tandem Verein. Außerdem ist er Mitglied im Hanauer Blinden- und
Sehbehindertenverein. "Es gibt unsportliche Sehende und sportliche Sehende
- so ist das bei den Blinden auch", sagt Rabsch.
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